Schlagwort: Angela Merkel

  • PSYT037 Virulente Müdigkeit

    In der zweiten Folge der Katastrophen-Staffel 2020 des Psychotalk ging es ausschließlich um die Coronavirus-Pandemie und die zahlreichen psychologischen Aspekte unseres Umgangs damit. Als – grundsätzlich privilegierte – Betroffene berichten die drei Psychologen aus ihrer persönlichen Situation heraus: Sven im zumindest technisch funktionierenden Doppel-Home-Office mit seiner Frau und einer Kita-freien 4jährigen, sowie als Mitglied des Pandemie-Teams eines großen Unternehmens. Sebastian als selbständiger Institutsleiter mit Angestellten, seiner Frau im Sozialwesen, einem 2jährigen Kita- und 7jährigen Grundschulkind, sowie dem eigenen beruflichen Blick auf die veränderte Situation vor allem für Kinder. Und Alexander als Forscher im medizinischen Bereich, mit einer freiberuflich tätigen Frau. Die Pandemie und damit verbundene Unsicherheit bedeutet vor allem mehr Stress durch einen permanenten Alarmzustand. Das wirkt sich auf uns alle aus, besonders aber auch auf diejenigen 12 Millionen Deutschen, die ohnehin schon an Angststörungen leiden, oder die 8 Millionen, die (auch) unter depressiven Störungen leiden. Besonders besorgt sind diejenigen, die selbst zu einer Risikogruppe gehören, oder wo Angehörige dies tun. Hinzu kommen weitere Stressoren in Folge der Kontaktbeschränkungen wie Kurzarbeit, drohender Jobverlust oder Wegfall der Existenzgrundlage; permanente Arbeit im Home-Office mit zunehmendem Verschwimmen von Berufs- und Privatleben; ständiger Kontakt im Kern-Haushalt unter Wegfall von Freiräumen; der Wegfall von Betreuungsangeboten für Kinder; Reduzierung von weitergehenden Familien- und Sozialkontakten bis hin zur Isolation; der Wegfall privater Betätigungen; usw. All dies bedeutet deutlich weniger Freiheitsgrade und Selbstwirksamkeit für jeden Einzelnen. Die Folgen reichen von stressbedingter Gewichtszunahme bzw. steigendem Drogenkonsum über mehr familiäre Gewalt bis hin zum Freitod. An weiteren Themen werden unter anderem angesprochen: Wie unterscheidet sich unsere Risikowahrnehmung zur Pandemie von der zum Klimawandel? Warum kam es zu Hamsterkäufen, vor allem bei Toilettenpapier? Wie hat sich unser Informationsverhalten im Laufe der Zeit verändert und warum? Ist der Zeitpunkt für eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen richtig? Was ist nochmal das Präventationsparadoxon? Und warum sind Verschwörungsmythen wie QAnon aber auch konkret zur Pandemie gerade jetzt so prominent? Insbesondere in der letzten Stunde geht es um konkrete Studien und Publikationen zur steigenden Gewalt gegen Kinder in der Pandemie (Quellen: Tagesspiegel, ZDF), zur Bedeutung von Aerosolen für die Infektionsgefahr in verschiedenen Situationen (Quelle: Erin Bromage), zu den psychologischen Folgen einer Quarantäne-Situation (Quelle: The Lancet), zu einer neuen Motivation zum Selbstmord (Quelle: Business Insider), zur stärkeren Ermüdung durch Videokonferenzen (engl. Zoom fatigue; Quelle: National Geographic) – unter besonderer Erwähnung von Nicolas Wöhrl von Methodisch Inkorrekt – und warum wir das externe Büro als Arbeitsplatz noch vermissen werden (Quelle: Financial Times (Paywall)).

  • PSYT027 Faktenbasierter Populismus

    Dies ist kein üblicher Psychotalk: Nach den politischen Ereignissen der letzten Monate und vor allem Tage konnten die drei Psychologen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Zusammen mit Alexanders Ehefrau Alexa wurde drei Stunden lang „Selbstgesprächstherapie“ betrieben: Wundenlecken in einer zunehmend verrückteren Welt. Reflektiert wurden (natürlich) der Brexit, der US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Clinton und Trump, und die Übertragbarkeit des erfolgreichen postfaktischen Populismus auf andere Länder. Welche Rollen spielen Emotionen wie Angst, Aggression und Hoffnung, und warum versagen reine Fakten? Warum sind Narrative so wichtig? Werden Rassismus und Sexismus wieder hoffähig? Und wie könnte man mit so etwas wie faktenbasiertem Populismus gegen all dies ansteuern? Diskutiert wurde auch über unsere eigenen Filterblasen (wie diese hier), unnötige Binnendiskurse (wie diesen hier), das zu akademische Reflektieren (wie dieses hier), die zukünftigen Militärausgaben der USA und Deutschlands, den Anschlag auf das deutsche Konsulat in Masar-e Sharif, den Literaturnobelpreis für Bob Dylan, den Tod von Leonard Cohen und die Erfolgsaussichten einer US-Präsidentschaftkandidatin Oprah Winfrey. In der zweiten Hälfte tauschten die vier Diskutanten zunächst ihre Meinungen zur anstehenden Bundespräsidenten- und Bundestagswahl aus: Welche Koalitionen sind wahrscheinlich, und wie erfolgreich werden vor allem AfD und FDP? Wird ein Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach dem dritten Wahlgang die Minderheitsregierung einer Bundeskanzlerin Frauke Petry durch Neuwahlen verhindern? Und dann die Fragen aller Fragen: Was jetzt tun? Welche Einflussmöglichkeiten haben wir überhaupt (außer Wählen und Gewählt-werden), angesichts unserer eingeschränkten persönlichen Reichweite, und warum sind Soziale Medien keine Lösung. Endgültige Antworten wurden hier sicher nicht gefunden, aber das gemeinsame Reden hilft zumindest für den Moment – und vielleicht auch Euch.